Pricing-Newsletter No. 74 (2023): Die Zahlungsbereitschaft der Kunden erforschen: mehr Pragmatismus im Pricing Research!

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

eine Frage, die ich in Unternehmen oftmals stelle, ist die nach der Höhe des Budgets für das Pricing Research. Und da blicke ich meistens in fragende Gesichter. Nur sehr wenige Unternehmen verfügen über ein eigenes Budget für das Pricing Research.

Das ist eigentlich überraschend, geht es doch darum herauszufinden, wie es um die Zahlungsbereitschaft und Preissensitivität des Kunden bestellt ist. Eine extrem wichtige Frage, wenn man im Pricing evidenzbasiert vorgehen will. Dabei empfehle ich im methodischen Vorgehen deutlich mehr Pragmatismus.

Viel Freude bei der folgenden Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Nur sehr wenige Unternehmen verfügen über ein eigenes Budget für das Pricing Research. Ein überraschender Umstand, denn hier werden Zahlungsbereitschaft und Preissensitivität des Kunden untersucht. Was gilt es zu beachten, welche Fehler sind zu vermeiden?

Das RSEC-Modell als konzeptioneller Rahmen

Wer meinen Pricing-Newsletter regelmässig liest, der kennt das RSEC-Modell (vgl. meinen Pricing-Newsletter Riekhof on Pricing No. 2) als strategisch-konzeptionellen Rahmen für das Pricing. Und das R steht für Research, also für den Ausgangspunkt und die Grundlage des Pricing.

Pricing Research Pragmatismus

Das RSEC-Prozessmodell des Pricing.
Quelle: © www.unicconsult.com (siehe auch Pricing-Newsletter No. 2)

In diesem Newsletter möchte ich der Frage nachgehen, was man bei der Ausrichtung des Pricing Research beachten sollte, welche Fehler man besser vermeide sollte und wie man hier pragmatisch vorgehen kann.

1. Pricing Research: auf die strategischen Vorgaben kommt es an

Wenn wir im Rahmen von Pricing-Projekten Unternehmen dabei beobachten, wie die Preise im Alltag zustande kommen und welche Quellen für die Preisbildung genutzt werden, dann sind wir schon bei einer Kernfrage des Pricing Research: geht es in erster Linie um detaillierte Kostenanalysen, geht es um ein intensives Erforschen der Wettbewerbspreise, oder stehen Erkenntnisse zur Preissensitivität und Zahlungsbereitschaft der Kunden im Mittelpunkt?

Cost Based, Competition Based oder Value Based Pricing Research?

Hier bedarf es einer klaren strategischen Vorgabe der Unternehmensleitung. Value Based Pricing erfordert andere Werkzeuge als ein – zugegebenermaßen viel einfacheres und deshalb sehr beliebtes – Cost-Plus Pricing (vgl. hierzu meinen Pricing Newsletter No. 9: Warum kostenorientiertes Pricing gefährlich ist).

Und die Wettbewerbspreise lassen sich im Online Handel einfacher erforschen als in einem mittelständischen B2B-Umfeld. Andererseits: für die Wettbewerbspreise sollten sich vor allem diejenigen Unternehmen interessieren, die ihren Kunden nichts Besonderes zu bieten haben (vgl. hierzu meinen Pricing-Newsletter No. 58).

Pricing Research Pragmatismus

Methoden des Competitive Pricing Research.
Quelle: © Riekhof/Breustedt: Pricing-Prozesse in der unternehmerischen Praxis. PFH-Studie Göttingen 2023.

Hypothesen als Basis des evidenzbasierten Pricing

Im Pricing Research plädieren wir für einen hypothesen-geleiteten Ansatz. Ausgangspunkt des evidenzbasierten Pricing sind – wie übrigens in der Wissenschaft – aussagekräftige, zu widerlegende Hypothesen. Sie enthalten die entscheidenden Erkenntnisse, und sie sollten sehr sorgfältig dokumentiert und mit den Methoden des Pricing Research überprüft bzw. validiert werden.

Die versteckten Annahmen transparent machen

Wie kommt man zu den Hypothesen? Die für ein bestimmtes Geschäft zuständigen Führungskräfte formulieren in einem ersten Schritt ihre Annahmen über mögliche Kundenreaktionen auf das Pricing, auf die Preis-Differenzierungen, Preis-Anpassungen und Rabattstrategien des Unternehmens, schließlich kennen sie (hoffentlich) den Markt und haben Vermutungen (oder auch Befürchtungen), wie Kunden auf veränderte Preisstrategien reagieren. „Kunden kaufen weniger, wenn die Preise erhöht werden“, das ist dann eine Hypothese der absoluten Anfänger.

Auch die impliziten Hypothesen aus der Chefetage empirisch überprüfen

In manchen Unternehmen gibt es fundamentale Annahmen über das Pricing und die Preise, die einem nicht zu hinterfragenden Gesetz gleichkommen. Manchmal kommen sie aus der Chefetage, manchmal werden sie einfach so tradiert. Bei empirischer Überprüfung erweisen sie sich gelegentlich als Irrtümer, die leider nie hinterfragt worden sind.

Pricing Research Pragmatismus

Evidenzbasierte Preisforschung: Hypothesen empirisch testen wie in der Wissenschaft.
Foto: © istockphoto.com

Das Pricing-Wissen gut dokumentieren

Die im Laufe der Jahre empirisch überprüften Hypothesen stellen ein sehr wichtiges, explizites Pricing-Wissen dar, das gut dokumentiert werden sollte. Die Preis- bzw. Marktforschung kann so letztlich zum Gedächtnis eines Unternehmens werden. Aus der Summe der gut bewährten Hypothesen entsteht dann etwas, was wir als ein (empirisch untermauertes) Markt-Wirkungsmodell bezeichnen.

2. Die Ressourcen: das Research Budget an den Zielen der Preisstrategie ausrichten.

Unserer Erfahrung nach haben die meisten Unternehmen kein separates Budget für die Preisforschung geplant und definiert. Angesichts der Hebelwirkung des Pricing auf den Unternehmensgewinn ist das schon ein überraschender Umstand. Vielleicht kann man sich in der Praxis dieser Frage nähern, indem ein bestimmter Anteil des Marktforschungs-Budgets für das Pricing Research reserviert wird.

Wie hoch das Budget für das Pricing Research tatsächlich sein sollte, ergibt sich aus der Unternehmens- und auch Preisstrategie. Geht es beispielsweise um Innovationen, für den der Wertbeitrag aus Kundensicht festgestellt werden muss (vgl. Pricing-Newsletter No. 66, Pricing-Newsletter No. 67 und Pricing-Newsletter No. 69), oder geht es um eine Strategie der Preisdifferenzierung, bei der das mögliche Preisgefüge und die zu erwartenden Kundenreaktionen erforscht werden sollen? Je nach Umfang und Komplexität der zu überprüfenden Hypothesen wird das entsprechende Budget variieren.

3. Die Reports zum Pricing Research: konstantes Format und historische Daten

Es gibt in vielen Unternehmen zu viele ad hoc-Studien – auch zum Pricing, die Einzelfragen ohne Berücksichtigung des Kontextes zu beantworten versuchen, was selten zufriedenstellend gelingt. Die Erkenntnisse des Pricing Research sollten in standardisierter Form aufbereitet und den verantwortlichen Managern zur Verfügung gestellt werden. Und dabei sollte man einige typische Fehler vermeiden.

Wie Sie das Preisimage des Unternehmens richtig messen, habe ich in meinem Pricing-Newsletter No. 38 beschrieben. Wenn der Preis in Kundenbefragungen gemeinsam mit der Qualität, dem Service und anderen Dimensionen erforscht wird, dann schneidet der Preis immer am schlechtesten ab – warum wohl?

Als Marketing-Verantwortlicher in internationalen Konzernen habe ich besonderen Wert darauf gelegt, gerade die langfristigen Trends in Form von Zeitreihen abzubilden – das gilt auch für die Ergebnisse des Pricing Research: verändern sich Preissensitivitäten und Zahlungsbereitschaften in bestimmten Marktsegmenten, verändert sich der wahrgenommene Wert von Produkten oder Services? Sind hier Trends erkennbar?

4. Management des Pricing Research: Wie viele Daten brauchen Management Rookies?

Wer kennt sich mit den Werkzeugen des Pricing Research aus, und wem kann man deshalb die Verantwortung für das Pricing Research übertragen? Die Leiter operativen Business Units oder Geschäftsbereiche sind selten die Experten für evidenzbasierte Preis-Forschung. Und in der Marktforschungs-Abteilung finden sich auch nicht immer Fachleute für das Pricing Research.

Externe Unterstützung ist also im ersten Schritt oftmals notwendig. Im zweiten Schritt sollte man aber die Frage beantworten, ob man für dieses strategische Thema nicht intern ein entsprechendes know how aufbauen sollte.

Brauchen Sie eine Abteilung für Preis-Tests?

Wir haben in unseren Pricing-Projekten den Eindruck gewonnen, dass zunehmend mehr Unternehmen beginnen, eine eigene Kompetenz für das Pricing Research aufzubauen. Im Rahmen von Pricing-Projekten haben wir Firmen dabei unterstützt, Teams oder Abteilungen für Preis-Tests aufzubauen, eine Kompetenz, die auf jeden Fall inhouse vorhanden sein sollte, zumal man keine der gewonnenen Erkenntnisse mit irgendwem teilen möchte. Natürlich sind Preis-Tests im Bereich FMCG und Retail sinnvoller als bei Investitionsgütern oder im Anlagenbau.

Pricing und das subjektive Informationsbedürfnis der Manager

Ein Aspekt bedarf in diesem Zusammenhang der Erwähnung: je weniger Manager vom Geschäft verstehen, desto größer scheint (verständlicherweise) ihr Informationshunger. Dass Management-Rookies ein sehr großes Research-Bedürfnis haben, bringt Gerd Gigerenzer auf den Punkt:

„Wenn Entscheidungen zu treffen sind, verwenden Experten meiste weniger Informationen als Neulinge; sie wissen, was relevant ist, und ignorieren den Rest.“

Ähnlich argumentiert auch Reinhard Sprenger:

„Sehr verbreitet ist in diesem Zusammenhang auch die Haltung: Mehr wissen wollen, als zum Handeln nötig ist. Sie wissen genau, jetzt müssen Sie handeln. Aber bevor Sie handeln, lesen Sie lieber erst noch ein Buch … oder besuchen ein Seminar … oder gehen zum Therapeuten. Ein billiger Schlupfwinkel, um Verantwortung zu vermeiden. Die Energie fließt ins Analysieren und Reflektieren. Das kluge Anhäufen von Wissenswertem gaukelt Handeln vor.“

5. Die Organisation des Pricing Research: Prozesse definieren. Einfach mal machen.

Einer der Aspekte der Organisation des Pricing Research war uns schon kurz begegnet: es kann sehr sinnvoll sein, ein eigenes Team für Preis-Tests zu schaffen. Genauso wichtig ist es, die Prozesse zu beschreiben:

  • wer legt die Prioritäten für das Pricing Research fest – wo liegen die Verantwortlichkeiten?
  • wie werden die Studien budgetiert?
  • wer beauftragt die Studien und überwacht die Durchführung?
  • welcher methodische Ansatz wird gewählt? (vgl. meine Pricing-Newsletter No. 17, No. 24, No. 38, No. 50, No. 69)
  • sollen ex post Studien durchgeführt werden, oder ist ein experimenteller Ansatz sinnvoll?
  • werden unternehmensinterne Daten verwendet, oder gibt es brauchbare externe Datenquellen?
  • wie werden die Ergebnisse bewertet, präsentiert und unternehmensintern geteilt?

Pricing Research: Die methodische Komplexität begrenzen

Eine Gefahr besteht sicherlich darin, ein Over-Engineering zu betreiben und in den empirischen Ansätzen eine zu große Komplexität zu erzeugen, weil man ja keinen Aspekt übersehen will. Aufgabe des Managements ist es auch hier, der Proliferation von Komplexität Einhalt zu gebieten. Sehr viel wichtiger ist es, auf die Wiederholbarkeit empirischer Studien zu achten und Daten im Sinne von Längsschnitt-Studien wiederholbar zu machen.

Pricing Research Pragmatismus

Die methodische Komplexität im Pricing Research begrenzen.
Foto: © istockphoto.com

Pricing Research: einfach mal ausprobieren

Und ein zweiter Hinweis an dieser Stelle: man kann die methodische Komplexität des Pricing Research recht weit treiben und vielleicht sogar die wissenschaftliche Forschung befruchten. Aber manchmal macht auch eine pragmatische Alternative Sinn: einfach mal ausprobieren. Das bedeutet: Preise in eng definierten Marktsegmenten zeitlich begrenzt ändern und die Kundenreaktionen sorgfältig dokumentieren. Und im zweiten Schritt lassen sich dann Ableitungen für andere Marktsegmente finden.

Pricing Research: Ergebnisse zentral bereitstellen und dezentralen Zugriff ermöglichen

Ein dritter wichtiger Aspekt in Unternehmen ist die Dokumentation und vor allem die Wiederverwendung des einmal erworbenen Wissens. Das gilt natürlich auch für das Pricing Research: welche Erkenntnisse hat man aus den Studien der vergangenen 3 Jahre herausdestilliert, und wie kann man auf diese Erkenntnisse in den operativen Einheiten und Tochtergesellschaften zugreifen?

Pricing Research: den eigenen Vertrieb stärker nutzen

Ein vierter Gedanke bezieht sich auf die Erhebung der Daten im eigenen Kundenkreis. Unserer Erfahrung nach wird eine interessante Option für das Pricing Research viel zu selten genutzt: der eigene Vertrieb bzw. Außendienst kann in das Pricing Research eingebunden werden (siehe dazu meinen Pricing-Newsletter No. 42) – eine Option, die mehr Aufmerksamkeit erhalten sollte.

Dabei ist es wenig sinnvoll, Kunden direkt nach dem „richtigen“ Preis zu fragen. Aber der Außendienst kann in mehr oder weniger standardisierten Kunden-Interviews den Wert erforschen, der durch die eigenen Produkte, Problemlösungen oder Services beim Kunden erzeugt wird (vgl. hierzu mein Interview mit Reinhold Zintgraf über Value Based Pricing im B2B-Bereich – mein Pricing-Newsletter No. 67). Eine wichtige Rolle können dabei auch Workshops mit den Heavy Usern Ihrer Produkte spielen (vgl. meinen Pricing-Newsletter No. 57).

6. Enthusiasmus „from the top“: Den Kunden verstehen wollen. Auf evidenzbasiertes Pricing setzen.

Ein letzter Aspekt ist im Rahmen des Pricing Research von Bedeutung: die „Message from the Top“. Ist das evidenzbasierte und datengetriebene Pricing eine Angelegenheit, die dem Vorstand und der Geschäftsführung wirklich am Herzen liegt? Setzt die Geschäftsführung in aller Konsequenz auf ein Value Based Pricing? Oder ist die Ausrichtung am Customer Value nur ein Lippenbekenntnis? Ist ein evidenzbasiertes Pricing Bestandteil der Unternehmensstrategie? Hat die Unternehmensleitung eigene Hypothesen zum Pricing, die dringend der empirischen Überprüfung bedürfen?

Wir sollten uns nichts vormachen: die Mitarbeiter spüren sehr schnell, worauf das Management wirklich Wert legt (vgl. hierzu meinen Pricing-Newsletter No. 44). Evidenzbasiertes Pricing gehört hoffentlich dazu.

Bis zum nächsten Pricing-Newsletter. Und falls Sie noch in diesem Jahr an meinem Pricing-Seminar in Hamburg teilnehmen wollen: im Termin Anfang Oktober gibt es nur noch sehr wenige Plätze.

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

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