Pricing-Newsletter No. 42 (2020): Kann man den Außendienst für das Pricing Research nutzen?

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wenn Unternehmen wissen wollen, wie sich die Marktpreise entwickeln, dann können sie in manchen Branchen auf umfassende Berichte von Marktforschungs-Instituten zurückgreifen. Dies gilt insbesondere im B2C Geschäft, und zwar ganz besonders dort, wo große Marketing-Etats internationaler Konzerne anzutreffen sind, die auf der Basis klarer Markt-Analysen geplant werden müssen.

Anders sieht es im Mittelstand aus, und zwar ganz besonders im Bereich B2B. Hier lohnen sich keine umfassenden Markt-Studien, weil die Märkte eher klein und stark segmentiert sind. Wenn externe Studien nicht vorliegen, gilt es, nach Alternativen Umschau zu halten. Warum nicht die eigene Vertriebs-Mannschaft für das Market und Pricing Research einsetzen? Dies ist das Thema unseres heutigen Newsletters.

Viel Freude beim Lesen und neue Erkenntnisse wünscht Ihnen

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Zur Analyse von Entwicklungen bei Marktpreisen können Unternehmen in manchen Branchen auf umfassende Berichte von Marktforschungs-Instituten zurückgreifen, vor allem im B2C-Geschäft. Im Mittelstand bei kleinen segmentierten Märkten lohnt sich dies nicht, Alternativen sind gefragt: Warum nicht die eigene Vertriebs-Mannschaft für das Market und Pricing Research einsetzen?

Der Außendienst und die anekdotische Evidenz zum Pricing

Wenn Sie Ihre Vertriebs-Mannschaft fragen, ob Ihr Unternehmen marktgerechte und konkurrenz-fähige Preise hat und ob Sie Ihre Preise im kommenden Jahr anheben sollen, dann werden Sie vermutlich nur auf begrenzte Zustimmung und Begeisterung stoßen. Andererseits wird Ihnen die Vertriebs-Mannschaft immer wieder einzelne Beispiele zeigen, bei denen man nur wegen der Preise wichtige Aufträge verloren oder gar nicht erst gewonnen hat. Ich nenne das anekdotische Evidenz im Pricing: aus Einzelfällen generelle Ableitungen zu treffen, ist nicht ganz ungefährlich.

Welche Fragen zum Pricing werden keine validen Ergebnisse bringen?

Wenn Sie Ihren Außendienst direkt nach dem „richtigen“ Preis für ein Produkt fragen, ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass es hier Sicherheits-Abschläge geben wird. Das hat vor allem zwei Gründe:

  • In der Regel wird der Außendienst immer noch zu einem großen Teil über Umsatzziele und entsprechende Incentives gesteuert (extrem selten hingegen über die Erreichung von Preiszielen oder die Reduktion der durchschnittlich gewährten Rabatte).
  • Kunden zu verlieren, ist etwas, das der Vertrieb auf jeden Fall vermeiden will. Schließlich weiß man aus eigener langjähriger Erfahrung, wie aufwendig es ist, Umsatzverluste über die Neukunden-Gewinnung auszugleichen.

Und ein einigermaßen erfahrener Vertriebsmitarbeiter wird Ihnen immer ein Wettbewerbs-Angebot vorlegen, das ihm einer seiner langjährigen Kunden „vertraulich“ zugesteckt hat und das „unschlagbare“ Preise aufweist.

Warum den Außendienst trotzdem in das Pricing Research einbinden?

Wenn es denn nicht ganz einfach ist, reliable und valide Ergebnisse im Pricing Research über den Außendienst zu erzielen, warum sollte man ihn trotzdem als Informations-Quelle nutzen? Je nachdem, wie man methodisch vorgeht, kann das ein pragmatisches, einfaches und kostengünstiges Instrument des Pricing Research sein.

Ferner lernen die Vertriebs-Mitarbeiter, den Markt und die Kunden im Hinblick auf das Pricing genauer zu beobachten: man schärft den Blick für die wesentlichen Fragen. Letztlich kann sogar eine verlässliche Systematik entstehen.

Wie zuverlässig ist das Pricing Research des Außendienstes?

Es kommt unserer Erfahrung nach vor allem darauf an,

  • dem Vertrieb die richtigen Fragen zum Pricing zu stellen
  • sich dem Thema Preis eher indirekt zu nähern und stattdessen die Werttreiber zu erforschen
  • in allen Vertriebsorganisationen eines Unternehmens die gleichen Fragen und die gleiche Systematik zu verwenden.

Pricing und die Frage nach den Werttreibern

Wenn ein Unternehmen relativ gesehen hohe Preise durchsetzen will, dann sollte es eine sehr klare Vorstellung über die Werttreiber aus Sicht der Kunden haben: welche Leistungs-Komponenten, Produkt-Eigenschaften, Anwendungs-Beratung, Service-Bausteine oder Prozess-Elemente sind so wichtig für den Kunden, dass der Preis in den Hintergrund tritt? Wie wichtig ist die Liefer-Performance? Wo erwartet der Kunde eine besondere Flexibilität?

Das herauszufinden, ist Aufgabe eines jeden Außendienst-Mitarbeiters. Diese Informationen müssen dann vom Marketing in systematischer Form ausgewertet, aufbereitet und vor allem bepreist werden. Es reicht da nicht aus, eine Liste von 20 Werttreibern zusammen zu tragen, die dann ohne Gewichtung nebeneinander stehen.

Pricing und die Frage nach den Kosten eines Lieferanten-Wechsels

Während die Frage nach den Werttreibern auf einer sachlichen Ebene im Kundengespräch erörtert werden kann, ist es schon etwas heikler herauszufinden, wie hoch die Kosten eines Lieferanten-Wechsels für den Kunden sind. Hier ist ein Einblick in die Prozesse des Kunden erforderlich: sind die eigenen Produkte zertifiziert, werden sie im Rahmen von validierten Produktions-Prozessen verwendet, führen die eigenen Produkte beim Kunden zu messbaren Kostensenkungen oder zu geringeren Fehlerraten im Produktions-Prozess der Kunden? Gibt es Synergien in Wartung und Service?

Pricing und die Frage nach den einzelnen Preis-Komponenten

Möglicherweise kann man die Frage nach der Bedeutung der einzelnen Preis-Komponenten mit seinem Gegenüber auf der Kundenseite recht offen besprechen: ist es wichtiger, einen höheren Rabatt auf den Listenpreis auszuweisen? Sind WKZ (Werbekostenzuschüsse) wichtig? Ist ein Jahres-Bonus oder eine Jahres-Rückvergütung wichtiger als der (möglichst niedrige) Netto-Preis? Sollten besondere, bisher nicht fakturierte Services in Rechnung gestellt werden, um so den Netto-Preis besser darstellen zu können? Nicht immer wird auf der Kunden-Seite nur nach dem exakt durchgerechneten Netto-Netto-Preis entschieden.

Pricing und die Frage nach der Qualität aus Kundensicht

Manchmal sind es die einfachen Fragen, die uns weiterbringen. Ich habe persönlich die Erfahrung gemacht, dass man Kunden sehr gut die Frage stellen kann, wie sie denn die Qualität eines Produktes definieren bzw. woran sie diese messen.

Nehmen Sie das Beispiel eines Nutzfahrzeug-Herstellers: erwarten Kunden in erster Linie eine mehr oder weniger problemfreie Lebensdauer der wichtigsten Komponenten von 1,5 Mio. km? Sind es die Liegenbleiber und ungeplanten Werkstatt-Aufenthalte in den ersten 36 Monaten? Ist es der Qualitäts-Eindruck des Fahrzeugs? Sind es die Reparatur-Kosten nach Ablauf der Kulanz? Ist es die Anzahl der Werkstatt-Aufenthalte? Ist es der Restwert nach 3 Jahren, weil hochwertige Fahrzeuge bessere Preise im sog. zweiten Leben erzielen?

Pricing und die Frage nach den relativen Preis-Sensitivitäten

Ein durchaus interessanter Ansatz ist darin zu sehen, den Außendienst nicht nach den absoluten Zahlungs-Bereitschaften eines Kunden zu fragen, sondern die Zahlungs-Bereitschaft für ein Produkt im Rahmen einer Preisdifferenzierungs-Strategie in verschiedenen Branchen, Vertriebswegen oder Kundengruppen zu vergleichen oder in eine Rangreihe zu bringen.

Zahlen Kunden in der Pharma-Industrie für das mehr oder weniger identische Produkt mehr als Kunden in der Lebensmittel-Industrie? Und besitzen Lohnfertiger eventuell die geringste Zahlungs-Bereitschaft? Solche oder ähnliche Ergebnisse legen einige unserer Pricing-Projekte nahe, und hier kann der Außendienst einen wichtigen Beitrag im Pricing Research leisten.

Pricing und die Frage nach den Wettbewerbern

In der Regel ist es möglich, den Anteil der eigenen Produkte im Vergleich zu den Wettbewerbern in Erfahrung zu bringen. Teilt man sich das Geschäft mit einem weiteren Premium-Hersteller? Was ist erforderlich, um dem Wettbewerber die Hälfte seines Umsatzanteils „abzunehmen“? Experimentiert der Kunde mit einem Billig-Anbieter aus China? Die sich hier ergebenden Gespräche lassen oftmals indirekt Einblicke in die eigene Position zu, und sie ermöglichen es, das eigene Pricing besser einzuordnen.

Wir können also festhalten, dass es durchaus sinnvoll ist, die eigene Vertriebsmannschaft in das Pricing Research einzubinden. Es kommt aber darauf an, die richtigen Fragen zu stellen (z.B. nach den Werttreibern), ein systematisches Vorgehen zu wählen und die Ergebnisse unterschiedlicher Vertriebsorganisationen oder Absatzkanäle miteinander zu vergleichen. Der Außendienst wird mit der Zeit dadurch auch lernen, mögliche Preispotentiale besser einzuschätzen.

Der nächste Pricing-Newsletter: Warum man Pricing-Audits durchführen sollte

Und abschließend wieder der Hinweis auf das Thema des nächsten Pricing-Newsletters: wir werden uns der Frage zuwenden, warum Sie Pricing-Audits durchführen sollten.

Mit besten Wünschen und bis zum nächsten Pricing-Newsletter – und vielleicht sehen wir uns ja demnächst in Hamburg in einem meiner Pricing-Seminare?

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Nehmen Sie an unserem Pricing-Seminar teil!

Nächster Termin in Hamburg: 18./19. März 2021

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