Pricing-Newsletter No. 58 (2022): Wann macht es Sinn, das Pricing am Wettbewerb auszurichten?

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Unsere empirischen Studien zeigen es seit Jahren immer wieder sehr klar: die meisten Unternehmen richten ihre Preise an den eigenen Kosten oder aber am Wettbewerb aus. Doch für nur ganz wenige Unternehmen macht es wirklich Sinn, sich an der Konkurrenz zu orientieren. Das ist das Thema unseres heutigen Pricing-Newsletters.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Unsere Studien zeigen seit Jahren immer wieder klar: die meisten Unternehmen richten ihre Preise an den eigenen Kosten oder aber am Wettbewerb aus. Doch für nur ganz wenige Unternehmen macht es wirklich Sinn, sich an der Konkurrenz zu orientieren. Das ist das Thema dieses Pricing-Newsletters.

Kosten und Wettbewerb: die dominierende Ausrichtung der Preisstrategie

Lassen Sie uns als erstes einen Blick auf die Ergebnisse unserer empirischen Studien werfen. Wie die nachstehende Abbildung zeigt, sind es die Kosten und der Wettbewerb, an denen die meisten Unternehmen ihre Preise ausrichten (vgl. auch unseren Pricing Newsletter No. 6). Die Methoden des Value Based Pricing, bei denen der Kunde und dessen Zahlungsbereitschaft den Ausgangspunkt bildet, haben immer noch eine nachgeordnete Bedeutung (vgl. Pricing-Newsletter No. 57).

Pricing-Studie 2018

Quelle: Riekhof/Wille 2018, Pricing-Prozesse in der unternehmerischen Praxis. Eine empirische Studie der PFH Göttingen

Für welche Unternehmen ist ein Competitive Pricing sinnvoll?

In unseren Projekten stoßen wir immer wieder auf Unternehmen, die sogar ganze Abteilungen damit beschäftigen, die Preise des Wettbewerbs zu erfassen und auszuwerten. Wir fragen uns immer, ob Kunden letztlich den gleichen Aufwand betreiben, um die sog. „Marktpreise“ herauszufinden.

Ausrichtung an den Wettbewerbs-Preisen: nur wer nichts Besonderes zu bieten hat

Wenn man es auf eine sehr einfache Formel bringen will: an den Preisen des Wettbewerbs sollte sich orientieren, wer nichts Besonderes zu bieten hat. Und damit sind wir sehr schnell beim Commodity Pricing: ob ich Aral oder Shell tanke, ist meinem Auto letztlich egal.

Preistafel Tankstelle

Benzinpreise: Competitive Pricing bei Commodities. Foto: pixabay.de

Früher zählte da vielleicht noch die Freundlichkeit des Pächters der ESSO-Station, aber wenn an der Kasse mehr oder weniger gelangweilte Aushilfskräfte sitzen, ist es inzwischen vollkommen gleichgültig, wo ich tanke.

Und wenn Konzerne Hilfs- und Betriebsstoffe für die Produktion einkaufen, Elektrizität oder Heizöl, Lösungsmittel, Basis-Chemikalien oder Kies und Sand etwa, dann spielt es keine Rolle, wer der Lieferant ist. Und ein kurzfristiger Wechsel bleibt ohne Folgen für die Liefersituation: vollkommene Austauschbarkeit der Produkte, Lieferanten und auch Liefer-Ketten prägen das Geschäft.

Vor allem defensive Manager setzen auf wettbewerbs-orientiertes Pricing

Lassen wir an dieser Stelle den Experten für Management-Fragen Reinhard Sprenger zu Wort kommen: „Defensive Manager blicken auch nur ungern nach vorn, sie schauen lieber zur „Seite“. Sie schauen – und das ist extrem verbreitet! – auf den Wettbewerber. … Sie orientieren sich nicht an einer ungewissen Zukunft, sondern an denen, die die gleichen Ziele verfolgen.“ (R. Sprenger, Radikal führen, Frankfurt/New York 2012, S. 228).

Und Reinhard Sprenger setzt fort: „Schielt man aber immer zur Seite, dann weiß man nicht mehr, wohin man läuft.“ (ebd).

1. Veränderungen in den Preislisten systematisch auswerten

Soweit vorhanden, kann man Preislisten der Wettbewerber auswerten – so sind insbesondere die differenzierten Anpassungen interessant, die über längere Zeiträume vorgenommen werden. Aber welches Unternehmen stellt schon die Preislisten der Wettbewerber in einer Langfrist-Auswertung zusammen?

In einem studentischen Projekt haben wir die Preislisten für Zubehör und Sonderausstattungen im VW-Konzern analysiert. Man sieht dort, dass die gleichen Sonderausstattungen bei Audi über 60 % teurer sind als bei Skoda und dass auch VW hier konsequent um 30 % und mehr über Skoda liegt.

Ähnliche Ergebnisse zeigten sich beim Vergleich von Porsche und Volkswagen: für ein Paket von Sonder-Ausstattungen für den Cayenne zahlt der Kunde ca. 70 % mehr als bei einem Touareg von VW.

preisliste mercedes benz

Manche Preislisten haben Richtwert-Charakter für bestimmte Branchen. Foto: meinbenz.de

Generell gilt natürlich, dass Preislisten sehr selten Netto-Preise sind, die tatsächlich gezahlt werden. Aber mancher Distributeur lässt im persönlichen Gespräch erkennen, welche Rabatte ihm von Ihrem ärgsten Wettbewerber eingeräumt werden.

2. Competitive Pricing Research: Mystery Shopping beauftragen

In manchen Branchen sind Testkäufe und Mystery Shopping möglich. So kann man im Handel sogar darauf spezialisierte Agenturen beauftragen, die bestimmte Warenkörbe beim Wettbewerb einkaufen und entsprechend auswerten. Diese Methodik ist eher im FMCG-Bereich und im Einzelhandel geeignet.

3. Marktforschungs-Institute nutzen

Im Bereich FMCG bieten auch Marktforschungs-Institute detaillierte Analysen von Markt- und Wettbewerbs-Preisen wie auch -mengen (bzw. Marktanteils-Entwicklungen) an. Hierzu werden in der Regel Haushalts-Panel genutzt.

4. Angebote des Wettbewerbs anfordern

In manchen Branchen kann man Angebote für bestimmte Produkte, Geräte, Maschinen, Fahrzeuge oder Anlagen beim Wettbewerber anfordern. Dies wird in der Regel in verdeckter Form erfolgen, zum Beispiel über eine Agentur, eine Tochtergesellschaft, einen Dienstleister oder einen Schlüssel-Kunden, mit dem man sehr eng zusammenarbeitet.

5. Reverse Engineering

Komplizierter wird es, wenn man die strategischen Produkte des Wettbewerbs einem Reverse Engineering unterzieht, um Herstellkosten und Preisstellung abschätzen zu können. Unternehmen wie der VW-Konzern haben natürlich schon sehr früh Tesla-Modelle „auseinandergenommen.“ Und ich habe auch mal bei einem LKW-Hersteller einen zerlegten Truck eines schwedischen Wettbewerbers gesehen, dessen Konstruktion den Ingenieuren einigen Respekt abverlangte.

6. Im Online-Business: Price Crawler nutzen

Im Online Bereich lassen sich insbesondere für gut vergleichbare Markenartikel Price Crawler nutzen, um die Wettbewerbspreise zu erfassen und auszuwerten. In einem derartigen Projekt (siehe dazu unseren Pricing-Newsletter No. 24)  für ein Einzelhandels-Unternehmen konnten wir herausfinden, dass Amazon die Preise in diesem Sortimentsbereich am häufigsten änderte (hohe Preisdynamik) und im Vergleich zum Wettbewerb die meisten Preise änderte, dabei fielen aber die Preisänderungen am geringsten aus. Allerdings ist zu beachten, dass nur die Preisänderungen erfasst werden; die dadurch induzierten MENGEN-Änderungen werden nicht ausgewiesen.

7. Den Wert der Informationen der Price-Crawler nicht überschätzen!

Wir vergleichen diese Preis-Crawler regelmäßig in studentischen Projekten. Dabei zeigt sich, dass die Funktionalität dieser Crawler sehr unterschiedlich ist. Manche setzen auf ein Ampel-System, andere haben ein übersichtliches Dashboard, wiederum andere bieten sehr klare Aussagen über Preisanpassungen, die der Auftraggeber vornehmen sollte.

Allerdings bleibt weitestgehend unklar, auf welchen Informationen diese Empfehlungen beruhen, denn die genannten Mengen-Informationen bieten die Preis-Crawler nicht. Und in manchen Marktsegmenten gibt es durchaus ausgeprägte Zusammenhänge zwischen Preisen und Mengen.

8. Competitive Pricing Research: Eigene Wettbewerbs-Studien in Auftrag geben

Eine recht interessante Studie haben wir vor einiger Zeit im Bereich Nutzfahrzeuge durchgeführt (siehe Pricing-Newsletter No. 21). Gegenstand war ein Wettbewerbs-Vergleich für das Pricing im Bereich After Sales/Services für Nutzfahrzeuge in Deutschland. Dabei konnten wir einige spannende Einsichten gewinnen:

Werkstatt

Competitive Pricing Research: unternehmensspezifische Studien im Bereich Servicebetriebe

  • Alle Wettbewerber hatten ein höheres Preis-Niveau in den alten Bundesländern, in großen Städten, in Autobahnnähe und in ihren größeren Service-Betrieben
  • Manche Wettbewerber hatten eine klar erkennbare und gut strukturierte Preisstrategie, bei anderen war ein klares Muster überhaupt nicht erkennbar.
  • Strategien der Preis-Differenzierung wurden von den einbezogenen Unternehmen sehr unterschiedlich umgesetzt. Dabei zeichnete sich einer der Wettbewerber durch eine sehr konsequente Differenzierung von Stundensätzen im Servicebereich aus.

Wettbewerbs-bezogenes Pricing: die Strategie festlegen

Wenn sich Unternehmen – trotz der von mir genannten Vorbehalte – dazu entschieden haben, die Preise am Wettbewerb auszurichten, dann sind in der Folge einige strategische Festlegungen zu treffen:

  • Welches ist der Wettbewerber mit der höchsten preisstrategischen Relevanz? Es wäre viel zu aufwendig, die Preisentwicklung bei 10 oder 15 Unternehmen im Detail zu verfolgen.
  • Welche (Volumen-) Produkte stehen in besonderer Weise unter preislicher Beobachtung und verdienen es, am Wettbewerb ausgerichtet zu werden? In unseren empirischen Pricing-Studien (Riekhof/Wille) zeigt sich immer wieder, dass in der Regel deutlich weniger als 50 % der Produkte eines Unternehmens als sehr preissensitiv eingestuft werden.
  • Welche Kunden vergleichen überhaupt die Preise mit der notwendigen Intensität?
  • Wie hoch soll der Abstand zum Wettbewerb sein? In unserer erwähnten empirischen Studie zum Online Pricing konnten wir feststellen, dass Amazon zwar die höchste Preis-Dynamik hat, aber Anpassungen in sehr geringen Sprüngen vornimmt und keineswegs immer den günstigsten Preis anstrebt.

Ein vorsichtiges Fazit: Competition-based Pricing oder Value-based Pricing?

Es sollte deutlich geworden sein, dass manche Unternehmen nicht wirklich eine Chance haben, auf ein wettbewerbs-orientiertes Pricing zu verzichten, weil ihre Produkte und Leistungen weitestgehend austauschbar sind und weil auch begleitende Services (wie die Lieferzeiten, die System-Integration, die Zuverlässigkeit oder die Art der Kundenbetreuung) keine Differenzierungs-Chancen bieten. Sie sind in ausgeprägten Commodity-Märkten tätig.

Viele Firmen setzen aber meiner Einschätzung nach vorschnell auf die Ausrichtung am Wettbewerb. Sie sollten ihre Preisstrategie dahingehend überprüfen, ob zumindest in Teilbereichen ein Value Based Pricing möglich ist.

Mit besten Wünschen und bis zum nächsten Pricing-Newsletter – und vielleicht sehen wir uns ja demnächst in Hamburg in einem meiner Pricing-Seminare?

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

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