Pricing-Newsletter No. 77 (2023): Die Komplexität des Produkt-Portfolios beherrschen lernen: Pricing-Kategorien als Silver Bullet bei Sartorius.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Sartorius hat ein sehr tiefes und spezialisiertes Produktprogramm. Für das Pricing bedeutet das eine nicht unerhebliche Komplexität. Mit welchen Lösungen der börsennotierte Bio-Pharma-Spezialist arbeitet, darüber sprach ich mit Dorian Rieger, seit 2022 Head of Marketing Operations bei Sartorius in Göttingen. Sartorius arbeitet seit 2017 mit UNICconsult im Bereich Pricing zusammen.

Viel Spaß bei der folgenden Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Sartorius hat ein sehr tiefes und spezialisiertes Produktprogramm. Für das Pricing bedeutet das Komplexität. Mit welchen Lösungen arbeitet der börsennotierte Bio-Pharma-Spezialist? Ein Interview mit Dorian Rieger, Head of Marketing Operations bei Sartorius.

Ein Interview mit Dorian Rieger, seit 2022 Head of Marketing Operations bei Sartorius in Göttingen.

Prof. Riekhof: Sartorius hat ein sehr tiefes und spezialisiertes Produktprogramm. Für das Pricing bedeutet das eine nicht unerhebliche Komplexität (vgl. hierzu meine Pricing Newsletter No. 41 und den Pricing-Newsletter No. 68). Können Sie uns einleitend sagen, wie viele Produktvarianten / SKUs wir in den Sartorius-Stammdaten finden? Und wie viele (differenzierende) Preise sind hier hinterlegt?

Dorian Rieger: Als Partner der Life Science Forschung und Biopharmazeutischen Industrie ist es das Ziel von Sartorius, ganzheitlich die Bedürfnisse unserer Kunden abzudecken. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist ein umfangreiches Portfolio erforderlich, sodass wir in der Sartorius Bioprocess Solutions Division über ca. 30.000 SKUs (Stock Keeping Units) mit aktivem Absatz verfügen.

Sartorius Pricing-Kategorien

Sartorius: Partner der Lifescience Forschung.
Quelle: © Sartorius

Unsere Strategie ist es, unter anderem individuelle Marktcharakteristika sowie die Kundensegmentierung in der Preissteuerung zu berücksichtigen. Bei Betrachtung der Listen- und kundenindividuellen Preise ergibt sich so ein Vielfaches der oben genannten Zahl, was das Preismanagement so komplex und gleichzeitig spannend macht.

Professor Riekhof: Sie haben bei Sartorius im Rahmen der Umsetzung der Pricing-Strategie eine Kategorisierung aller Produkte eingeführt (vgl. hierzu meinen Pricing Newsletter No. 66, den Pricing Newsletter No. 48 und den Pricing Newsletter No. 29), die auf differenzierten preisstrategischen Zielen beruht. Was war der Anlass, dieses System zu schaffen? Und wie ist dieses System entstanden?

Dorian Rieger: Der wesentliche Treiber hinter der Einführung der Preis-Kategorien ist es das umfangreiche und sehr diversifizierte Produktportfolio „managebar“ zu machen. Ein weiterer Grund sind die Implementierung der sogenannten produkt-individuellen „Pricing Roadmaps“, die gemeinsam mit dem Produktmanagement entwickelt wurden und fortwährend verfeinert werden.

„Wir wollen mit den Preis-Kategorien die Komplexität unseres Portfolios von 30.000 SKUs unter preisstrategischen Aspekten steuerbar machen.“

Dorian Rieger

Die Preis-Kategorien helfen dabei, die klar dokumentierte produkt-individuelle Preisstrategie zu strukturieren, in großem Umfang systemisch zu implementieren und messbar zu machen. Entstanden sind diese Kategorien in den Workshops mit dem Produktmanagement zu den „Pricing Roadmaps“.

Professor Riekhof: Welche und wie viele Kategorien verwenden Sie in diesem Zusammenhang? Können Sie uns einige Beispiele nennen (vgl. hierzu meinen Pricing Newsletter No. 25 und Pricing Newsletter No. 32) ?

Dorian Rieger: Wir verfügen über circa 20 Kategorien und unterscheiden z.B. zwischen Instrumenten und Verbrauchsmaterialien; zwischen Standard- und komplexeren, konfigurierbaren Produkten sowie Artikeln, die extra von unseren Ingenieuren für einzelne Kunden designt werden. Darüber hinaus erfolgt z.B. eine Kategorisierung anhand der Bestellhäufigkeit und Phase im Produktlebenszyklus.

Sartorius Pricing-Kategorien

Die Komplexität des Sartorius-Portfolios wird durch die Einführung preisstrategischer Kategorien besser steuerbar
Quelle: © Sartorius

Professor Riekhof: Dieses System soll ein differenziertes strategisches Pricing für verschiedene Produktarten schaffen. Worin bestehen die möglichen Unterschiede im Pricing, die geschaffen werden können? Gibt es differenzierte Vorgaben? Wie wirken sich die getroffenen Festlegungen aus?

Dorian Rieger: Grundsätzlich gibt uns die Kategorisierung verschiedenste Möglichkeiten unter Berücksichtigung des Produktlebenszyklus, der Wettbewerbssituation und weiterer Kriterien den Umsatz und die Marge zu beeinflussen. So genannte „hidden items“ – Produkte, welche mittelfristig eingestellt werden, aber weiterhin von einzelnen Kunden gekauft werden – könnten z.B. aggressiver bepreist werden.

„Diese Preis-Kategorien erlauben es uns, manche Produkte zum Beispiel aufgrund ihres Lebenszyklus deutlich aggressiver zu bepreisen.“

Dorian Rieger

Konkrete Vorgaben machen wir preislich nicht, allerdings wird die Kategorisierung regelmäßig überprüft. Innerhalb einer Produktgruppe ist es so möglich, eine breite Streuung an Preisentscheidungen auf Artikelnummernebene zu treffen.

Sartorius hat ein sehr tiefes und spezialisiertes Produktprogramm. Für das Pricing bedeutet das Komplexität. Mit welchen Lösungen arbeitet der börsennotierte Bio-Pharma-Spezialist? Ein Interview mit Dorian Rieger, Head of Marketing Operations bei Sartorius.

Eine preisstrategische Herausforderung für Sartorius: die preisbezogene Integration von Verbrauchsmaterialien und Geräten.
Quelle: © Sartorius

Professor Riekhof: Wo sehen Sie die wichtigsten Vorteile dieses Systems?

Dorian Rieger: Das System schafft einen Rahmen für das Preis- und Produktmanagement, welcher die produkt-individuelle Preisstrategie für ein umfangreiches, stark diversifiziertes Portfolio operationalisierbar macht. Dies führt zu Effizienzen in der eigentlichen Preisentscheidung, schafft Sicherheit bei den Beteiligten, verhindert willkürliche Preisentscheidungen und ein mögliches Verzetteln. Darüber hinaus erleichtert es die Kommunikation mit und Erklärbarkeit gegenüber anderen Stakeholdern.

„Das System erleichtert die Kommunikation und Erklärbarkeit der jeweiligen Preisstrategie gegenüber anderen Stakeholdern.“

Dorian Rieger

Professor Riekhof: Wer ist für die Kategorisierung der Produkte verantwortlich, wer wirkt daran mit (vgl. hierzu meinen Pricing Newsletter No. 26)?

Dorian Rieger: Die Kategorisierung erfolgt gemeinschaftlich zwischen dem Preis- und Produktmanagement und wird jährlich im Rahmen der Produktlebenszyklus-Diskussion überprüft.

Professor Riekhof: In welcher Form ist dieses System in den Produktstammdaten und im ERP-System verankert?

Dorian Rieger: In den Materialstammdaten ist ein entsprechendes Preiskategorie-Feld hinterlegt, welches dann im ERP-System für die eigentlichen Preisentscheidungen genutzt wird. Eine Artikelnummer kann nur in einer Preiskategorie eingeordnet sein.

Professor Riekhof: Wie lange hat es gedauert, dieses System technisch und organisatorisch zu realisieren? Waren tiefgreifende IT-technische Anpassungen erforderlich?

Dorian Rieger: Die eigentliche technische Realisierung ist fix und weder schwierig noch kompliziert, da die Ergänzung des Preiskategorie-Felds keine weiteren Daten betrifft. Vor der technischen Umsetzung war es jedoch wichtig, die richtigen Preis-Kategorien herauszuarbeiten, abzustimmen und einige Regeln für die richtige Datenqualität aufzustellen.

Professor Riekhof: Wie ist es um die interne Akzeptanz des Systems bestellt? Wie viele der Produkte sind inzwischen erfasst bzw. gekennzeichnet? Wie viele Product Manager nutzen es aktiv?

Dorian Rieger: Aufgrund der gemeinsamen Ableitung der Preis-Kategorien mit den Produktmanagern ist die Akzeptanz sehr hoch, da die Produktmanager die oben beschriebenen Vorteile wie Struktur und Geschwindigkeit bei Preisentscheidungen wertschätzen. Die Kategorisierung hilft schlichtweg bei der systematischen Umsetzung ihrer Preisstrategie. So sind alle ca. 30.000 SKUs mit aktivem Absatz kategorisiert und werden von ca. 80 kommerziell verantwortlichen Produktmanagern weltweit genutzt.

„Die interne Akzeptanz des Systems ist sehr hoch, weil es den 80 weltweiten Produktmanagern hilft, ihre Preisstrategie umzusetzen.“

Dorian Rieger

Professor Riekhof: Welche regelmäßigen Reports gibt es auf der Basis dieses Systems (vgl. hierzu meinen Pricing Newsletter No. 45)?

Dorian Rieger: Reports rein auf Basis der Preis-Kategorien werden wir nicht einführen, allerdings planen wir, das bestehende umfangreiche Set an Reports um Preis-Kategorien als Filtermöglichkeit zu ergänzen. So schaffen wir eine weitere Dimension in bewährten Dashboards. Ich freue mich z.B. schon darauf zu analysieren, wie gut unsere Preisdurchsetzung pro Preiskategorie ist, um hieraus Erkenntnisse für künftige Preisanpassungen abzuleiten.

Professor Riekhof: Welche tatsächlichen Effekte wird dieses System mittelfristig in der Praxis haben?

Dorian Rieger: Grundsätzlich erwarte ich mir von diesem differenzierten Ansatz, bei dem nicht nur Fokusprodukte gründlich untersucht werden, sondern das gesamte Portfolio „gemanagt“ wird, dass dies zu positiven Umsatz- und Margeneffekten führen wird. Auch bietet dieses System die Chance für z.T. recht technisch denkende Produktmanager, einen strukturierten Zugang zu den kommerziellen Möglichkeiten ihres Portfolios zu finden.

„Gerade den technisch ausgerichteten Produktmanagern bietet das System einen guten Zugang zu den kommerziellen Möglichkeiten ihres Portfolios.“

Dorian Rieger

Professor Riekhof: Welchen Unternehmen würden Sie ein solches System empfehlen?

Dorian Rieger: Hier kommt es auf die spezifische Situation des Unternehmens an und wie die Verantwortlichkeiten zwischen Preis- und Produktmanagement zugeschnitten sind. Prinzipiell könnte es für Unternehmen relevant sein, die über ein breites, sehr diverses Portfolio verfügen und die gleichzeitig aktives Portfoliomanagement entlang des Lebenszyklus betreiben, da das System einen operativen Handlungsrahmen für bewusste Preisentscheidungen auf Artikelnummernebene bietet. Ebenso schafft es in gewisser Art und Weise Verbindlichkeit in der Umsetzung von Preisstrategien und kann eine Brücke in die Kommerzialisierung des verantworteten Portfolios für eher technisch orientierte Kollegen sein.

Professor Riekhof: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Bis zum nächsten Pricing-Newsletter.
Beste Grüße
Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

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