Pricing-Newsletter No. 59 (2022): Wenn die Anreizsysteme die Umsetzung der Preisstrategie verhindern

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

viele gute Preisstrategien scheitern unserer Erfahrung daran, dass die Anreizsysteme im Vertrieb die Umsetzung regelrecht behindern. Da sollte die Unternehmens-Leitung viel genauer hinschauen.

Wo die größten Chancen liegen, preisstrategische Ziele in der Vertriebsmannschaft zu verankern, erklären wir im Pricing-Newsletter No. 59.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

In vielen Unternehmen sind die Anreizsysteme auf die Erreichung von Umsatzzielen ausgerichtet. Die Durchsetzung von Preiserhöhungen oder allgemeiner: die Durchsetzung der Preisstrategie hat dann zwangsläufig nur begrenzte Chancen. Wo liegen die größten Chancen, preisstrategische Ziele in der Vertriebsmannschaft zu verankern?

Mit welchen Hebeln werden Preisstrategien umgesetzt?

Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die Hebel werfen, mit denen Strategien generell umgesetzt werden.  Vgl. Sie hierzu folgende unserer Pricing-Newsletter:

Die sechs Hebel der Strategieumsetzung (vgl. hierzu auch mein bei Schäffer Poeschel erschienenes Buch) sind:

In vielen Unternehmen sind die Anreizsysteme auf die Erreichung von Umsatzzielen ausgerichtet. Die Durchsetzung von Preiserhöhungen oder allgemeiner: die Durchsetzung der Preisstrategie hat dann zwangsläufig nur begrenzte Chancen. Wo liegen die größten Chancen, preisstrategische Ziele in der Vertriebsmannschaft zu verankern?

Hans-Christian Riekhof, Die sechs Hebel der Strategieumsetzung: Plan – Ausführung – Erfolg, 1. Auflage, Schäffer-Poeschel 2010, ISBN978-3791026251

1. Eine klare Strategie-Roadmap für jeden Verantwortungs-Bereich. Im Pricing sprechen wir von Pricing-Roadmaps.

2. Eine strategie-bezogene Zuweisung der erforderlichen Ressourcen. Strategische (Pricing-) Projekte benötigen strategie-gerechte Budgets. Eine extrem wichtige und oftmals auch knappe Ressource ist übrigens die Management Attention, die das Pricing erhält.

3. Strategie-Scorecards (bzw. hier: Pricing-Scorecards) zur Messung des Umsetzungserfolges. Sie unterstreichen das Prinzip „What gets measured gets done.“

4. Strategiegerechte Management-Kompetenzen und entsprechende Incentive-Systeme. Dies ist der Kern unseres heutigen Pricing-Newsletters.

5. An der (Pricing-) Strategie ausgerichtete Organisations-Strukturen und Geschäftsprozesse.

6. Eine von der Unternehmensleitung erzeugte und auch vorgelebte Dringlichkeit für die strategische Agenda (das Thema unseres Pricing-Newsletters No. 44).

Durchsetzung der Preisstrategie beim Kunden: die Aufgabe des Vertriebs

In den meisten Unternehmen hat der Vertrieb einen entscheidenden Einfluss auf den von den Kunden letztlich gezahlten Preis. Im B2B-Geschäft verhandelt der Vertrieb die Details des Auftrags, muss die Konditionen festzurren und Liefer- und Servicebedingungen vereinbaren.

In vielen Unternehmen sind die Anreizsysteme auf die Erreichung von Umsatzzielen ausgerichtet. Die Durchsetzung von Preiserhöhungen oder allgemeiner: die Durchsetzung der Preisstrategie hat dann zwangsläufig nur begrenzte Chancen. Wo liegen die größten Chancen, preisstrategische Ziele in der Vertriebsmannschaft zu verankern?

Die Durchsetzung der Preisstrategie beim Kunden ist die Aufgabe des Vertriebs. Foto: Kampusproduction/pexels.de

Im B2C-Geschäft muss der Filialleiter über Rabattaktionen und Sonderangebote, über die Platzierung von Aktionen, über Sonderkonditionen für bestimmte Kunden oder die preisstrategische Ausrichtung des Sortiments entscheiden. Natürlich ist der Einfluss des Vertriebs auf den Preis letztlich in jedem Unternehmen und jeder Branche zwar unterschiedlich, aber in der Regel ziemlich hoch.

Umsatz-Steigerung als wichtigste Motivation im Vertrieb

Sowohl die Vertriebsleitung als auch das Vertriebsteam haben in der Regel ein sehr großes Interesse daran, die gesetzten Umsatzziele zu erreichen, weil ein mehr oder weniger großer Teil des Entgelts von diesen Umsatzzielen abhängig ist. Das bedeutet aber, dass die Vertriebs-Mannschaft darauf großen Wert legt, dass

  • kein Auftrag aufgrund des Preises verloren geht
  • vor allem bestehende Kunden gebunden werden, weil der Aufwand, einen neuen Kunden zu gewinnen, um ein Vielfaches höher ist.

Letztlich bedeutet es, dass die konsequente Durchsetzung höherer Preise vom Vertrieb bisweilen etwas halbherzig unterstützt werden wird. Umsätze aufgrund des Preises zu verlieren, will man auf jeden Fall vermeiden.

Anreizsysteme im Vertrieb: kurzfristige versus langfristige Ausrichtung

Eine grundlegende Problematik in der Ausgestaltung von Anreizsystemen ist darin zu sehen, dass es viel einfacher ist, kurzfristige Aktionen und Ziele zu incentivieren. Perioden-übergreifende Anreiz-Systeme sind viel schwerer zu etablieren. Die jährlichen Gehalts- und Prämiengespräche wie auch die entsprechenden Planungs- und Budgetrunden sind fest etabliert. Ein auf drei Jahre gerichtetes Entwicklungsziel für bestimmte Kunden, Branchen oder auch Produktgruppen zu bestimmen, ist zwar vorstellbar, aber nicht einfach umzusetzen.

Anreizsysteme im Vertrieb: Umsatz versus Deckungsbeitrag

Eine zweite Schwierigkeit ist darin zu sehen, dass viele Anreizsysteme der Einfachheit halber auf Umsätze ausgerichtet sind. Ich habe selbst einmal versucht, in dem von mir geleiteten Geschäftsbereich ein umsatz-getriebenes Anreizsystem auf ein deckungsbeitrags-basiertes System umzustellen. Dieser Versuch ist letztlich auch daran gescheitert, dass die Deckungsbeiträge eines Kunden oder einer Vertriebs-Region erheblich von Herstell- und Rohstoffkosten abhängen – Größen, die der Vertrieb nicht beeinflussen kann und auch nicht zu verantworten hat.

Lösung 1: Produktbezogene Anreizsysteme zur Umsetzung der Preisstrategie

In unserem Pricing-Newsletter No. 48 haben wir beschrieben, wie wir bestimmten Produktgruppen strategische Rollen zuweisen. Man denke hier an Kategorien wie

  • Commodity Items
  • Product Launch Items
  • Recommended Items
  • USP Items
  • Specialized Items
  • Customized Items
  • Validated Items
  • NOS Items (Never Out of Stock)
  • Services
  • Hidden Items und andere mehr.

Mit diesen Kategorien sind unterschiedliche preisstrategische Vorgaben und Ziele wie auch unterschiedliche Ertragspotentiale verbunden.

Diese Kategorien lassen sich auch für den Vertrieb nutzen, indem etwa Umsatzziele pro Kategorie vorgegeben werden (die Recommended Items sollten am stärksten wachsen, für die Customized Items gibt es besonders hohe Incentives, etc.). Damit werden die Incentives für den Vertrieb direkt in den Dienst der Preisstrategie gestellt.

Wie gut sehr enge produktbezogene Vorgaben aus dem Produkt-Management im Vertrieb funktionieren können, habe ich selbst vor vielen Jahren als Leiter eines operativen Geschäfts-Bereiches ausprobiert. Wir haben damals drei deckungsbeitrags-starke Produkte für eine Wachstums-Offensive ausgewählt, die entsprechend forciert und mit einer Prämie für den Außendienst versehen wurden. Die Ergebnisse haben uns alle überrascht, weil unsere Erwartungen weit übertroffen wurden.

Lösung 2: Rabatte zum Gegenstand des Anreizsystems machen

Rabattmarken

Historische Rabattmarken. Foto: Histocard

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Organisationen dazu neigen, die jeweils maximal zulässigen Rabattstufen voll auszuschöpfen. Wenn also für bestimmte Umsatzgrößen ein Mengenrabatt von 15 % möglich (aber nicht vorgeschrieben!) ist, dann werden in der Praxis diese 15 % in den meisten Fällen gewährt. Das gleiche gilt entsprechend für die übrigen Rabattarten.

Hier bietet es sich an, auch die möglichst geringe Ausschöpfung von Rabatten bzw. die Kürzung von Rabatten im Rahmen der Kundengespräche und der vertrieblichen Arbeit in die Anreizsysteme zu integrieren. In unseren Pricing-Projekten entdecken wir regelmäßig beachtliche Potentiale, nicht mehr gerechtfertigte Kunden-Rabatte (weil etwa Mengen nicht erreicht werden oder andere Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind) zu kürzen.

Im Rahmen eines Anreizsystems lässt sich feststellen, wie hoch das gesamte Rabattvolumen aller Rabattarten in einer Vertriebsregion ist.

Lösung 3: Mengen und Preise unabhängig voneinander planen und in Zielvorgaben umsetzen

Im ersten Semester des BWL-Studiums lernt man, dass sich die Umsätze aus der Multiplikation von Stückpreis und Menge ergeben. Das hat sich aber noch nicht zu allen Architekten von ERP-Systemen herumgesprochen. Planungs- und Budgetierungs-Systeme sollten Mengen- und Preiseffekte unabhängig voneinander abbilden – in der Praxis treffen wir in unseren Projekten immer wieder auf Unternehmen, die es dabei belassen, nur pauschal die Umsätze auszuweisen. Entsprechend schwierig wird es, Vorgaben für Preissteigerungen in die Systeme einzustellen und in den IST-Zahlen entsprechend nachzuhalten.

Ein erstes Fazit: Incentives an den preisbezogenen Produkt-Kategorien ausrichten

Es sollte deutlich geworden sein, dass in vielen Unternehmen die Anreizsysteme auf die Erreichung von Umsatzzielen ausgerichtet sind. Die Durchsetzung von Preiserhöhungen oder allgemeiner: die Durchsetzung der Preisstrategie – hat dann zwangsläufig nur begrenzte Chancen.

Die größten Chancen, preisstrategische Ziele in der Vertriebsmannschaft zu verankern, sehen wir grundsätzlich in der Einführung eines preisbezogenen Kategorien-Systems für die gesamte Produktpalette, indem etwa Recommended Items, Commodity Items, Hidden Items und Specialized Items unterschieden werden. Für diese Kategorien werden Preisstrategien formuliert und in Vorgaben für den Vertrieb übersetzt. Damit entsteht ein durchgängiger Pricing-Prozess vom Produkt-Management bis zu Vertriebsorganisation – eine gute Voraussetzung für den gemeinsamen Erfolg.

Die besten Wünsche und bis zum nächsten Pricing-Newsletter – und vielleicht sehen wir uns ja demnächst in Hamburg in einem meiner Pricing-Seminare?

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Titelfoto: Karolina Grabowska/pexels.de

Nehmen Sie an unserem Pricing-Seminar teil!

Setzen Sie den Preis als strategischen Hebel zu mehr Wertschöpfung ein.

Der Pricing-Newsletter

Bleiben Sie mit dem kostenlosen Abo auf dem Laufenden!