Pricing-Newsletter No. 35 (2020): „Der perfekte Preis für Luxus“: Sarah Hölting interviewt Professor Riekhof in new business – das Magazin für Kommunikation und Medien 6/2020

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in unserem LSDC-Modell der Kundengruppen gibt es unter anderem die Kunden, die nicht preis-getrieben kaufen und gleichzeitig Geld ausgeben für Dinge, die für den Lebensunterhalt nicht gerade notwendig sind: Luxus hat im Kern mit Überfluss zu tun.

Der nachstehende Newsletter beschäftigt sich mit diesem Thema und den perfekten Preis für Luxus. Es ist ein Interview, das Sarah Hölting mit mir in der Zeitschrift new business führte und das wir hier in digitaler Form wiedergeben dürfen.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Rund um das Thema Luxuskunden mit Aspekten wie Pricing, Preisdifferenzierung und Produktdiversifikation für Luxusmarken hat das Magazin new business mit dem Pricing-Experten Professor Riekhof gesprochen. Lesen Sie hier das vollständige Interview.

Für das Luxussegment eignen sich Produkte mit Strahlkraft

1. Bei welchen Produkt-Segmenten funktionieren hohe „Luxus“-Preise besser, bei welchen weniger gut?

Professor Riekhof: Am wenigsten funktionieren Luxus-Produkte bei Low Interest Items des täglichen Bedarfs. Ich kenne weder Luxus-Streichhölzer noch Luxus-Geschirrspülmittel oder Luxus-Papiertaschentücher. Anders ist es bereits bei Produkten für den persönlichen Bedarf. So gibt es eine besondere Zahnpasta für 70 € für die Tube. Und  auch Schokolade, die mehr als 200 € für eine Tafel kostet. Ein besonderes Meersalz für Kenner kostet auf dem Wochenmarkt in Bordeaux schon mal 4,90 € – für 100 g! Für ein Luxus-Mineralwasser bezahlen Sie auch schon 50 – 80 $ oder mehr für die Flasche.

Luxus-Marken: Sichtbarkeit und Selbstdarstellung

Am ehesten eignen sich natürlich Segmente, die eine hohe Sichtbarkeit und auch Selbstdar-stellung ermöglichen, die Strahlkraft haben, wie z.B. Uhren, Schmuck, Schreibgeräte, Taschen, Kleidung, Accessoires, aber auch Automobile. Gerade wenn ich meine persönliche Expertise zur Schau stellen möchte, werde ich vielleicht in eine gute Espresso-Maschine von Veloce investieren, die 12.000 € kostet, sie ist geformt wie ein V8-Motor. Oder in einen Kochherd von Molteni für 200.000 €, wenn ich leidenschaftlich gerne koche. Natürlich darf es dann auch eine Kamera von Leica sein.

2. Wie findet man den Reservations-Preis für eine Zielgruppe in sehr hohen Preislagen?

Professor Riekhof: Der Reservations-Preis ist eher ein Begriff aus der Mikroökonomie. Ich bin mir nicht sicher, ob das Pricing im Luxus-Segment sehr analytisch-methodisch vorgenommen wird oder ob man nicht eher eine grobe Preis-Segmentierung des Marktes vornimmt, um dann zu entscheiden, in welcher der obersten Preisklassen man vertreten sein will. Wenn das Produkt wirklich stimmt, ist der Preis eher nebensächlich. Im Luxusbereich steht das Produkt und dessen Inszenierung im Vordergrund, nicht der Preis.

Luxus-Güter online mieten

3. In der virtuellen Welt ist Preis-Differenzierung möglich, also die Produktpreise auf der Basis von Algorithmen zu variieren und an individuelle Zahlungs-Bereitschaften anzupassen. Funktioniert das auch in sehr hochpreisigen Segmenten?

Professor Riekhof: Das ist eher unwahrscheinlich. Algorithmen müssen „trainiert“ werden, und dazu benötigt man größere Datenmengen. Im Luxussegment sind die Stückzahlen sehr begrenzt, so dass das kaum zu ausreichenden Fallzahlen führt. Es gibt aber zunehmend den Trend, dass man Luxus-Produkte auf bestimmten Portalen online mieten kann. Für einen bestimmten Abo-Preis kann man z.B. monatlich seine Rolex wechseln. Es gibt auch Haute Couture zum Mieten. Hier existieren dann in der Tat unterschiedliche Preis-Modelle, aber sie sind nicht personalisiert, die Differenzierung hält sich in Grenzen.

4. Wie gut kommt die digitale Preis-Differenzierung bei höherpreisigen Artikeln überhaupt beim Konsumenten an? Und ist das nicht kontraproduktiv: Schließlich betont das strikte Einhalten des hohen Preises ja die Extravaganz und Überlegenheit des Produktes, wohingegen ein zunehmend verwässerter Preis den Anschein erweckt, als sei das Produkt vielleicht doch nicht seinen hohen Preis wert.

Professor Riekhof: Es ist die Frage, ob Luxusmarken überhaupt eine digitale Preis-Differen-zierung umsetzen. In der Tat leben Luxus-Produkte von einheitlichen Preisen, die nicht ver-handelbar sind. Manche Luxus-Marken setzen sogar noch auf eine mehr oder weniger künstliche Verknappung und auf Wartelisten. Etwa wenn limitierte Sonder-Editionen aufgelegt werden wie die Birkin Bag Handtaschen von Hermès, die dann extrem schnell vergriffen sind und die darauf abzielen, die Begehrlichkeit weiter zu steigern.

Man erzeugt bewusst eine Verknappung

So etwas kennt man auch von Uhren-Herstellern und auch von Porsche und Bugatti. Denken Sie an den Bugatti Chiron Super Sport 300+, von dem 30 Exemplare aufgelegt wurden, die sehr schnell „vergriffen“ waren.

5. Wieviel Produkt-Diversifikation verträgt eine Luxusmarke grundsätzlich?

Professor Riekhof: Das hängt ganz von der jeweiligen Luxusmarke ab. Manche Marken stehen nur für eine einzige Produktkategorie. Bugatti stellt extrem hochwertige Sportwagen her. Eine Luxusyacht würde man Bugatti eher nicht zutrauen. Zu einer Champagner-Marke passt keine hochwertige Armbanduhr. Andere Marken stehen für einen Lifestyle, nicht für ein Produkt. Da ist das Potential für Brand Extensions viel größer. Interessant sind da neue Kooperationsformen wie etwa die Armani-Hotels und Bulgari-Hotels.

6. Schaden Internet-Shops mit ihren häufigen Sale-Aktionen und Preisvergleichs-Portale Luxus- Produkten/Marken, da sie bspw. die Spar-Mentalität befeuern und den Kunden preissensitiver machen?

Professor Riekhof: Auf jeden Fall, aber das ist eher eine theoretische Frage, denn Hersteller von Luxus-Gütern bieten ihre Produkte nicht in Online Shops an, bei denen es zu Rabatt-Aktionen kommt. Das sind eher graue Märkte oder auch Märkte für gebrauchte Luxus-Güter, die von Händlern oder auch von Liebhabern betrieben werden.

Sekundär-Märkte für Luxus-Marken

Es ist ja umgekehrt so, dass bestimmte Produkte sogar künstlich verknappt werden und dann in einem Sekundärmarkt mit hohen Aufschlägen online angeboten werden. Da komme ich noch einmal auf die erwähnten Birkin Bags zurück: hier sind die Online Preisaufschläge beachtlich, das kann schon eine Kapitalanlage sein.

7. Findet sich der generelle Trend zur stärkeren Individualisierung im Konsum auch bei Luxus-Produkten?

Professor Riekhof: Der Trend zur Individualisierung ist hier sogar ausgesprochen wichtig. Mir fällt da Hermès ein, dort kann man sich persönliche Einrichtungs-Gegenstände im Hermès-Stil herstellen lassen. Das dauert dann in der Umsetzung ein paar Monate. Oder bei der Firma Matchbook kann man sich einen eigenen persönlichen Gin samt Marken-Konzept komponieren lassen. Das gleiche gilt auch für Parfums. Individualisierung ist gewissermaßen die Königsklasse des Luxus-Konsums.

Der nächste Pricing-Newsletter

Und abschließend wieder der Hinweis auf das Thema des nächsten Pricing-Newsletters: wir werden uns quasi mit dem Gegenstück des Luxury Pricing befassen: mit dem Discount Shopping.

Mit besten Wünschen und bis zum nächsten Pricing-Newsletter – und vielleicht sehen wir uns ja bald mal in Hamburg in einem meiner Pricing-Seminare?

Und bleiben Sie gesund!

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Nehmen Sie an unserem Pricing-Seminar teil!

Nächster Termin in Hamburg: 18./19. Juni 2020

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