Pricing-Newsletter No. 63 (2022): Inflation Pricing: Wie setzen Unternehmen Preiserhöhungen um? Ergebnisse der Pricing-Studie der PFH Göttingen 2022

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die Zeiten haben sich dramatisch geändert: Inflation Pricing benötigt ein schnelleres, konsequenteres und vor allem strategisch ausgerichtetes Vorgehen bei Preisanpassungen. In unserer gerade fertiggestellten Studie zu Preisanpassungs-Prozessen haben Leon Julius Reutel und ich untersucht, wie Unternehmen Preiserhöhungen umsetzen. Die wichtigsten Ergebnisse möchten wir Ihnen im Folgenden vorstellen.

Viel Freude bei der Lektüre dieses Newsletters wünschen Ihnen

Ihr
Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof und
Leon Reutel

Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Inflationsbdingt sind Unternehmen beim Pricing derzeit stark unter Druck. Wie setzen Unternehmen in diesen Krisenzeiten Preiserhöhungen durch? Im aktuellen Newsletter stellen wir Ihnen dazu die wichtigsten Ergebnisse unserer gerade fertiggestellten Studie zu Preisanpassungs-Prozessen vor.

Inflation Pricing: eine neue Herausforderung für Unternehmen und Management

Die Corona-Pandemie hat ebenso wie der Ukraine-Krieg eine vollkommen neue Dimension und auch Herausforderung für das Management der Pricing-Prozesse in den Mittelpunkt gerückt. Lieferketten-Probleme entstehen durch pandemie-bedingte Lock-Down-Situationen, globale Beschaffungsmärkte funktionieren nicht wie gewohnt, elektronische Bauteile und andere Vormaterialien unterliegen weltweiten Knappheiten, der Krieg in der Ukraine führt zu einer Explosion der Energiepreise und auch vieler Rohstoffe.

Damit geht eine längere Periode sehr behutsamer Preisanpassungen zu Ende, und die nunmehr erforderlichen eher drastischen Schritte sind für viele Geschäftsführer und Manager in gewisser Weise Neuland, weil sie Phasen hoher Inflation nicht selbst in verantwortlichen Positionen erlebt haben.

Was sind bitte Übergewinne?

Manche Unternehmen nutzen die entstehenden Engpass-Situationen sehr konsequent zu ihrem eigenen Vorteil aus. In der öffentlichen Debatte ist dann von Übergewinnen die Rede – ein Begriff, der in der ökonomischen Theorie überhaupt nicht vorkommt und auch wenig Sinn macht. Ich halte es für zielführender, von Monopolen oder Oligopolen zu sprechen, und das Kartellrecht bietet hier vom Ansatz her einen Werkzeugkasten, über dessen Eignung und Wirksamkeit sich Experten Gedanken machen müssen. Über das angemessene Funktionieren von Märkten sollten Experten wie auch politische Gremien sorgsam wachen.

Inflationsbedingte Preiserhöhungen umsetzen: die aktuelle Pricing-Studie der PFH Göttingen

Im Folgenden möchten Leon Julius Reutel und ich Ihnen die wichtigsten Ergebnisse unserer gerade fertiggestellten Studie zu Preisanpassungs-Prozessen vorstellen. Wir konnten die Antworten von insgesamt 163 Unternehmen auswerten, die unseren Fragebogen online beantwortet haben. Die Studie steht als PDF unter www.unicconsult.com/publikationen/forschungsberichte zum kostenlosen Download bereit.

30 % der befragten planen in 2022 Preiserhöhungen von 15 % und mehr

Eine Inflationsrate von 10 % für 2022 wird derzeit von vielen Experten für möglich gehalten. Unsere erste Grafik zeigt, welche Preiserhöhungen die befragten Unternehmen in 2022 planen. 61 % der Unternehmen werden die Preise im zweistelligen Bereich anheben.

Inflation Pricing

Quelle: Riekhof/Reutel 2022: Umsetzung inflationsbedingter Preiserhöhungen. Empirische Studie der PFH Göttingen 2022.

72 % der Unternehmen können sich eine zweite Preiserhöhung vorstellen

Der Anpassungsdruck ist erheblich: fast drei Viertel der Unternehmen können sich für 2022 eine zweite Preiserhöhung vorstellen. Und nur 16 % der Unternehmen kommen zu einem klaren Nein bei dieser Frage.

Inflation Pricing Abb.3

Quelle: Riekhof/Reutel 2022: Umsetzung inflationsbedingter Preiserhöhungen. Empirische Studie der PFH Göttingen 2022.

Wie differenziert werden Preiserhöhungen umgesetzt?

Eine Kernfrage der Preisstrategie ist grundsätzlich, ob und in welchem Umfang Preise differenziert werden – wir haben uns mit diesem Thema im Pricing-Newsletter No. 5 und Pricing-Newsletter No. 54 auseinander gesetzt. Einheitspreise schöpfen Experten-Schätzungen zufolge nur etwa die Hälfte des möglichen Gewinns aus. Das gilt entsprechend auch für Preiserhöhungen: werden sie nur pauschal mit einem bestimmten Prozentsatz auf alle Produkte umgesetzt, gehen Ertragspotentiale verloren, weil Produkte unterschiedliche Preiselastizitäten aufweisen.

Wie die befragten Unternehmen mit den Preisanpassungen in den unterschiedlichen Produkt-Kategorien umgehen, zeigt die folgende Grafik:

Inflation Pricing Abb.5

Quelle: Riekhof/Reutel 2022: Umsetzung inflationsbedingter Preiserhöhungen. Empirische Studie der PFH Göttingen 2022.

Wir sehen,

  • dass 90 % der Unternehmen auf eine standardisierte Weitergabe von Preiserhöhungen über Preislisten setzen,
  • dass 82 % der Unternehmen die Preiserhöhungen bei Rohstoffen und Vormaterialien weitergeben
  • dass nur jeweils 50 % oder weniger der Unternehmen auf Preiserhöhungen bei Nischenprodukten oder Ersatzteilen setzen – auch wenn anzunehmen ist, dass hier die Preissensitivität der Kunden deutlich geringer ist.

Differenziere Preiserhöhungen für Kundengruppen?

Die zweite Dimension für Preis-Differenzierungen ist die Kundenperspektive. Sollen die Preise für alle Kundengruppen in gleicher Weise angehoben werden, oder ist davon auszugehen, dass manche Kundengruppen eine höhere (bzw. geringere) Preissensitivität besitzen?

In der folgenden Grafik sehen wir, dass vor allem Neukunden stärker zur Kasse gebeten werden sollen. Das ist ein für uns sehr überraschendes Ergebnis, denn Neukunden sind unserer Erfahrung nach preissensitiver als Stammkunden.

Inflation Pricing Abb.9

Quelle: Riekhof/Reutel 2022: Umsetzung inflationsbedingter Preiserhöhungen. Empirische Studie der PFH Göttingen 2022.

Planung der Preiserhöhung: die Verantwortung liegt im Vertrieb

Für die Planung der Preiserhöhung übernimmt vor allem der Vertrieb die Verantwortung (49%), gefolgt vom Produkt-Management (34%). Unsere Erwartung war hier, dass vor allem das Produkt-Management die Planung von Preiserhöhungen vorantreibt und der Vertrieb dann die Umsetzung verantwortet. Offensichtlich ist die Arbeitsteilung in den Preiserhöhungen heute noch eine andere.

Inflation Pricing Abb.11

Quelle: Riekhof/Reutel 2022: Umsetzung inflationsbedingter Preiserhöhungen. Empirische Studie der PFH Göttingen 2022.

Das Gesamtfazit: Differenzierte Preiserhöhungen statt Gießkanne

Wenn wir ein Gesamtfazit unserer Studie ziehen sollen, dann ist es darin zu sehen, dass die Differenzierung der Preiserhöhungen nach Produkt-Kategorien und nach Kundengruppen ausbaufähig ist. An mancher Stelle wird sichtbar, dass ein pauschaler Ansatz noch vorherrschend ist und dass der Vertrieb die wesentliche Kraft sowohl in der Planung als auch in der Umsetzung von Preiserhöhungen ist.

Vielleicht ist es sinnvoll, eine Wiederholung dieser Umfrage in einem oder zwei Jahren zu planen, um zu überprüfen, ob Unternehmen auf dem Weg zu differenzierteren Preisanpassungs-Strategien sind.

Mit besten Wünschen und bis zum nächsten Pricing-Newsletter – und vielleicht sehen wir uns ja demnächst in Hamburg in einem meiner Pricing-Seminare?

Ihr
Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof
und Leon Reutel

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