Pricing-Newsletter No. 33 (2020): Müssen Online- und Offline Preise immer identisch sein?

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

im Rahmen eines Retail-Projektes wurden wir kürzlich erneut mit der weit verbreiteten Aussage konfrontiert, dass die Kunden für das gleiche Produkt die gleichen Preise im Store und im Online-Shop erwarten. Unsere Erfahrungen sind da etwas differenzierter. Sie sind Gegenstand dieses Newsletters.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Dass Kunden für das gleiche Produkt im Store wie auch im Online-Shop den gleichen Preis erwarten, ist eine bei Händlern weit verbreitete Einschätzung. Dabei spricht durchaus einiges gegen die Grundsätzlichkeit von Einheitspreisen. Erfahren Sie mehr in diesem Newsletter.

Einheitliche Preise online und offline?

Für Retailer wird es zunehmend schwieriger, die Kunden auf den verschiedenen Vertriebskanälen richtig zu bedienen: Kunden recherchieren online, lassen sich im Store beraten, vergleichen Preise direkt vor Ort übers Smartphone, bestellen dann zuhause nachts um 23 Uhr, und drei Tage später möchten sie die Ware im Store retournieren. Da liegt es nahe, lieber on- und offline die gleichen Preise zu haben, bevor man unter Rechtfertigungsdruck gerät.

Die Verantwortlichen verweisen darauf, dass sich Kunden beschweren, wenn es Preis-Differenzen gibt, und sie wollen dieser Auseinandersetzung aus dem Wege gehen. Preisgleichheit ist vielleicht ein intern und extern einfach umsetzbarer Ansatz, aber es gibt einige gewichtige Argumente, die gegen eine solche Preis-Strategie sprechen.

Was generell gegen Einheitspreise und für Preis-Differenzierungen spricht

Grundsätzlich wissen wir, dass die Differenzierung von Preisen (siehe unseren Pricing-Newsletter No. 5) betriebswirtschaftlich in der Regel sinnvoll ist, weil sie die Zahlungsbereitschaft unterschiedlicher Kundengruppen besser ausschöpfen kann: manche Zielgruppen haben eine höhere Zahlungsbereitschaft für ein Produkt, die es abzuschöpfen gilt, andere sind erst zum Kauf bereit, wenn der Preis unter den „Einheitspreis“ abgesenkt wird, so dass hier Zusatz-Umsätze und -erträge erschlossen werden können.

Voraussetzung ist natürlich, dass man verhindern kann, dass alle Kunden auf den günstigsten Preis einsteigen. Das kann gelingen, wenn man die Preise beispielsweise regional, zeitlich oder auch im persönlichen Gespräch differenziert und an konkrete Bedingungen knüpft (und z.B. Online- und Offline-Preise unterscheidet).

Das Online-Preisniveau ist in der Regel niedriger

Die Retailer, mit denen wir dieses Thema diskutiert haben, waren durchgängig der Meinung, dass das Online-Preisniveau unter dem Retail-Preisniveau liegt. Angesichts der durch die Preis-Suchmaschinen höheren Preis-Transparenz im Internet ist das nicht wirklich überraschend. Wenn sich die Stores durchgehend auf das niedrigere Online Preis-Niveau begeben, geht hier ggf. ein beachtlicher Teil des Rohertrages verloren.

Einheitspreise online und offline für das gesamte Sortiment?

In der Praxis wird bisweilen unterstellt, dass die Preisgleichheit im Internet und offline für das gesamte Produkt-Programm gelten muss. Das macht unserer Erfahrung nach wenig Sinn. Wir empfehlen ein differenzierteres Vorgehen:

  • Bei den Top Selling Items und den besonderen Preis-Angeboten kann es durchaus sinnvoll sein, online und offline die gleichen Preise zu haben. Aber muss die Lieferung für den Fernseher dann auch kostenlos sein?
  • Im Kern-Sortiment lassen sich differenzierte Preise on- und offline einfacher umsetzen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll bzw. auch notwendig, wenn es im  stationären Geschäft auch regionale Preis-Differenzierungen gibt (z.B. Nord – Süd oder Großstadt – Kleinstadt). Hier ein Hinweis am Rande: Der Drogerie-Filialist dm will einem Bericht der Lebensmittel-Zeitung vom Dezember zufolge die Preise in seinen Filialen zukünftig differenzieren (was andere schon seit Jahren machen).
  • Das nur online verfügbare, besonders tiefe sog. Longtail-Sortiment (siehe  Pricing- Newsletter No. 25) hat in jedem Fall eigene Preise. Im Longtail gibt es in der Regel wenig Gründe, ein besonders niedriges Preisniveau umzusetzen. Unsere eigene empirische Studie zeigt aber, dass nur ganz wenige Retailer im Longtail eine andere Preis-Strategie (mit höheren Preisen) haben als im Shorttail.

Wie man die Verkäufer im Store auf niedrige Online-Preise vorbereitet

Wenn es online in bestimmten Segmenten niedrigere Preise als offline gibt, dann ist es sinnvoll, dem Verkaufspersonal klare Handlungsanweisungen für den Fall mitzugeben, dass Kunden direkt im Store auf den niedrigeren Online-Preis für ein Produkt verweisen. Hier gibt es folgende Optionen:

  • das Verkaufspersonal wird autorisiert, direkt und ohne Diskussion auch den günstigen Online-Preis zu gewähren. Dabei wird dann nicht einmal geprüft, ob die Lieferzeiten bei der Online-Bestellung akzeptabel sind oder ob es dem Kunden besonders wichtig ist, das Produkt gleich mitnehmen zu können.
  • das Verkaufspersonal kann einen Nachlass gewähren, der aber nicht den Online-Preis erreicht.
  • das Verkaufspersonal muss verargumentieren, dass die Kostenstrukturen wie auch die Beratung im Store es nicht zulassen, den Online-Preis auch stationär zu gewähren. Vielleicht kann der Verkäufer die Online-Bestellung dann mit dem Kunden direkt im Store vornehmen.
  • die Verkäufer im Store können je nach CRM-System auch überprüfen, ob es sich um einen Stammkunden handelt, der seine Rechnungen pünktlich bezahlt, einen „gesunden“ Produkt-Mix einkauft und deshalb eher für ein preisliches Zugeständnis in Frage kommt.

Unsere Erfahrungen aus Pricing-Projekten für einen Cross Channel Retailer im Sportbereich zeigen, dass Kunden einen ausgesuchten Artikel oftmals gerne direkt mitnehmen und „besitzen“ wollen und deshalb durchaus eine Preis-Differenz akzeptieren. Aber das ist natürlich auch eine Frage der Höhe der Preis-Differenz und der Hochwertigkeit des Produktes insgesamt.

Im Übrigen müssen sich die Sortimentsverantwortlichen die Frage stellen, inwieweit sich die Online- und Offline-Sortimente unterscheiden können. Auch so kann man letztlich der Vergleichbarkeit der Preise aus dem Wege gehen. Die im Online-Geschäft erreichbare Sortiments-Tiefe (sehen Sie sich einmal das Weinangebot von Amazon an und vergleichen Sie es mit Hawesko) kann der Stationär-Handel sowieso nicht bieten.

Wie Ferran Reverter von MediaSaturn mit niedrigeren Online-Preisen im Store umgehen will

Bemerkenswert ist das Vorgehen von MediaSaturn, wie wir einem Handelblatt-Interview mit den Ceconomy-Chefs Ferran Reverter und Bernhard Düttmann vom 10.12.19 entnehmen können. Dort sagt Ferran Reverter wörtlich: „Zukünftig wird jeder Mitarbeiter in unseren Märkten ein Smartphone mit einer eigens entwickelten App haben. Damit haben sie alle Informationen parat, um unsere Kunden viel besser und individueller beraten zu können. Und wenn ein Kunde zum Beispiel behauptet, dass er bei einem anderen Anbieter einen besseren Preis bekomme, können unsere Leute das umgehend nachprüfen – und ihm innerhalb unserer Regeln entgegenkommen.“

Ein solches System setzt hochaktuelle produktbezogene Informationen voraus. Ferner die in dem Interview erwähnten internen Pricing-Regeln sowie einen möglichst zentralen Pricing-Bereich, in dem die relevanten Informationen zusammenlaufen. Über die Tendenz zur Zentralisierung des Pricing werden wir übrigens in einem der folgenden Newsletter berichten.

Der nächste Pricing-Newsletter

Und abschließend wieder der Hinweis auf das Thema des nächsten Pricing-Newsletters: Dabei werden wir uns der Frage zuwenden, warum Sie die Preis-Spreizung in Ihrem Produkt-Programm messen sollten.

Mit besten Wünschen und bis zum nächsten Pricing-Newsletter – und vielleicht sehen wir uns ja demnächst in Hamburg in einem meiner Pricing-Seminare?

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Nehmen Sie an unserem Pricing-Seminar teil!

Nächster Termin in Hamburg:19./20. März 2020

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