Sebastian Herrmann: Wer sich aus Armut befreit, zeigt weniger Mitgefühl für Ex-Schicksalsgenossen

„Wer Herausforderungen meistert, verliert Verständnis für das Scheitern anderer. Das gilt auch, so haben Studien gezeigt, für Menschen, die sich aus Arbeitslosigkeit befreit haben. Diese Erfahrung reduziert das Mitgefühl für Ex-Schicksalsgenossen, die ohne Beschäftigung bleiben. So zu denken, wertet den eigenen Erfolg subjektiv auf, schmeichelt also dem Ego: Von wegen Glück, ich habe es mit meiner Leistung geschafft, und wem das nicht gelingt, der muss ein Loser sein! Dass das Leben nicht fair ist und Leistung allein meist nicht reicht, betonen hingegen Menschen, die am Fuß der sozialen Leiter feststecken. Auch das wärmt die Seele, schiebt es doch die eigene Verantwortung in den Hintergrund. In beiden Sichtweisen steckt Wahrheit – es ist die eigene Situation, die eine der Varianten attraktiv macht.“

– Sebastian Herrmann in „Strengt euch halt an! – Wie Erfolg die Haltung zu Armut und Sozialpolitik prägt“, Süddeutsche Zeitung, 05. Juli 2022, 78. Jahrgang, 27. Woche, Nr. 152

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