Pricing-Newsletter No. 36 (2020): Warum Discount-Pricing manchmal unumgänglich ist

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

so wie ich das Discount-Pricing oben zusammengefasst habe, geht es leider nicht immer. Die Wirklichkeit ist manchmal doch komplizierter. Und trotzdem gibt es eine große Anzahl von Kunden, die in bestimmten Situationen extrem preisorientiert kaufen. Discount-Shopping ist in ganz unterschiedlichen Märkten auf dem Vormarsch.

Wie man für verschiedene Marktsegmente das Discount-Pricing sinnvoll nutzen kann, darum geht es in diesem Pricing-Newsletter.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

Discount-Shopping ist in ganz unterschiedlichen Märkten auf dem Vormarsch. Wie man für verschiedene Marktsegmente das Discount-Pricing sinnvoll nutzen kann, darum geht es in diesem Pricing-Newsletter.

Situatives Pricing mit dem LSDC-Modell

Vielleicht werden Sie sich an unsere Pricing-Newsletter No. 10 (Das Riekhof-sche LSDC-Modell in der Praxis) und 11 (Die Umsetzung des Riekhof-schen LSDC-Modells im Unternehmen) erinnern, in denen ich das LSDC-Modell des Pricing (siehe nachfolgende Abbildung) vorgestellt habe.

Es basiert auf der Annahme, dass nicht alle Kunden in allen Situationen auf den Preis in gleicher Weise reagieren. Das klingt ziemlich selbstverständlich und nachvollziehbar, oder? Wenn Sie sich allerdings die Preis-Strategien vieler Unternehmen ansehen, werden Sie feststellen, dass man der dahintersteckenden Logik nur sehr selten folgt.

LSDC-Modell

Was ist – in aller Kürze – die Grundidee? Kunden wissen in manchen Situationen sehr genau was sie wollen. Und es gibt gute Gründe, dass sie sehr stark auf den Preis achten. Hier sind wir beim Discount-Shopping, dem Gegenstand dieses Newsletters. Doch zunächst zur Erinnerung ein Blick auf die anderen drei Typen.

Convenience-Shopping

Wer genau weiß, was er benötigt, aber nicht unbedingt auf den Preis achtet (weil ihm Bequemlichkeit oder schneller Service gerade wichtiger sind), ist eher im Convenience Shopping Modus. Ihn stelle ich Ihnen demnächst als letztes noch vor.

Smart-Shopping

Wer eher spontan etwas kauft, weil der Preis ja nun wirklich sehr attraktiv ist, obwohl er das Produkt gar nicht auf dem Einkaufszettel hatte, den bezeichne ich als Smart Shopper oder auch Schnäppchen-Jäger. Mehr dazu in unserem Pricing-Newsletter No. 31 (2020): Das LSDC-Modell und das Pricing für Smart-Shopper.

Luxury- / Lifestyle-Shopping

Und die letzte Kategorie: Geld (bzw. der Preis) spielt gerade eine untergeordnete Rolle, und ein konkreter Bedarf ist auch nicht vorhanden. Hier sprechen wir dann vom Lifestyle- oder Luxus-Shopping (siehe unser Pricing-Newsletter No. 35 (2020): Der perfekte Preis für Luxus). Luxus hat schon vom Begriff her mit „Überfluss“ zu tun…

Und in welche der LSDC-Kategorien gehören Sie?

Bei der Frage, in welche der vier Kategorien man sich denn persönlich einordnet, kommt von meinen Seminarteilnehmern nach kurzem Überlegen die Antwort: es kommt darauf an. Nämlich auf die Situation, auf die Produktkategorie, auf den Zeitdruck, den man empfindet.

Situativ geprägte Reaktionen auf das Pricing

Eine dauerhafte Einordnung Ihrer Kunden in eine dieser Kategorien macht also wenig Sinn. Kundenmodelle mit einer zeitlich überdauernden Typisierung haben folglich ein methodisches Problem. Andererseits: das Pricing sollte auf die unterschiedlichen Reaktionsweisen der Kunden abgestimmt sein und ihnen Rechnung tragen. Schließlich hat auf Dauer jeder die Kunden, die er verdient.

Wie ticken die Discount-Shopper?

Discount-Shopper wollen eine vernünftige Leistung zu einem sehr guten Preis. Sie mögen es einfach und transparent, und sie wissen, was ihre Anforderungen an das Produkt und den Service sind. Ob der Begriff „Discount-Shopping“ immer passt, sei dahingestellt. Gerade im B2B-Bereich nennen wir dieses Kundenverhalten manchmal auch „Rationales Shopping“.

ALDI, Lidl, Primark, Ryanair, Dacia, Tiger Stores und Co: Discount Pricing überall?

Wir alle kennen die Discounter im Einzelhandel. Die Qualität ist völlig in Ordnung, die Produkte halten in der Regel, was sie versprechen. Aber auch in anderen Branchen gibt es Unternehmen, die sich auf das Discount-Pricing spezialisiert haben, etwa Ryanair unter den Flug-Gesellschaften oder Dacia im Automobil-Bereich. Keine besonderen Emotionen, keine besonderen Services, aber ein Preis-Niveau, das die klassischen Mitbewerber gar nicht erreichen können.

Discount-Pricing für Mähdrescher

Ein interessantes Beispiel ist der Mähdrescher-Hersteller Claas aus Harsewinkel. Nicht in allen internationalen Märkten benötigen die Landwirte einen mit der Cloud vernetzten High Tech-Mähdrescher. Suchen Sie einmal online nach dem Claas Crop Tiger – eine Antwort für internationale Discount-Segmente, zum Beispiel in Entwicklungsländern. Manchmal brauchen Ihre Kunden einfach nur ein einfacheres Produkt.

Was ist ALDI-Qualität?

Es ist bereits deutlich geworden: Discount-Kunden wollen den bestmöglichen Preis, und sie wollen ein Produkt, das die grundsätzlichen Anforderungen erfüllt. Der Begriff ALDI-Qualität ist keineswegs abwertend gemeint, sondern gleichbedeutend mit einer Qualität, an der es nichts auszusetzen gibt, die vollkommen in Ordnung ist.

Wie setzt man Strategien des Discount-Pricing um?

Das Discount-Pricing ist im Vergleich zu den übrigen Feldern der LSDC-Matrix eher einfach:

  • sorgen Sie für extrem schlanke Kostenstrukturen bei Ihren Produkten
  • reduzieren Sie die Komplexität in der Abwicklung und in den Prozessen
  • achten Sie darauf, dass das Sortiment sehr schlank bleibt
  • achten Sie auf einen schnellen Lagerumschlag
  • halten Sie die Verwaltung schlank, um die Fixkosten im Griff zu behalten
  • kalkulieren Sie „ordentlich“, d.h. eher knapp, aber auskömmlich
  • sorgen Sie für KPIs, die dem Discount-Geschäft Rechnung tragen.

Die Kunden werden sehr schnell lernen, was sie für ihr Geld bekommen.

Warum Discounter in der Regel hochprofitabel sind

Den Begriff „ordentliche Kalkulation“ habe ich ganz bewusst gewählt: die Aufschläge werden deutlich geringer sein als in den übrigen LSDC-Feldern. Aber die einfachen Abläufe und der höhere Lagerumschlag führen in der Regel dazu, dass das Discount Pricing zu einem hochprofitablen Geschäftsmodell führt – siehe Aldi, Lidl, Ryanair und viele andere.

Sollten Unternehmen ausschließlich auf Discount-Pricing setzen?

Die notwendigen internen Strukturen machen es auf den ersten Blick sehr unwahrscheinlich, dass Discount-Unternehmen auch die übrigen LSDC-Felder bedienen. Schließlich gehört zu einem glaubwürdigen Angebot im Luxus-Bereich schon eine aufwendige Inszenierung, ein sehr hochwertiges Produkt, eine entsprechende Story.

Doch wenn Sie sich das ALDI-Sortiment im Detail ansehen, finden Sie dort auch sehr hochwertige Rotweine (siehe dazu meinen Newsletter zum Thema Preis-Spreizung). Und ob die Ersatzteile und der Service bei Dacia auch dem Discount-Prinzip entsprechen müssen, darf man ebenfalls in Frage stellen. Service und Ersatzteile werden auch bei Dacia für „ordentliche“ Erträge sorgen. Das gleiche gilt übrigens für Ryanair: Discount Pricing für den Flug, aber Convenience Pricing für das Übergepäck, das man zu buchen vergessen hat (auch wenn ich das als ziemlich unfair empfinde (siehe dazu meinen Newsletter zur Preis-Fairness).

Ist das Discount-Pricing bei Ausschreibungen im B2B-Bereich alternativlos?

An dieser Stelle darf der Hinweis auf das Pricing in Ausschreibungen nicht fehlen. Es liegt nahe, dass man als Anbieter in Ausschreibungen immer den niedrigsten Preis für die im RFQ (Request for Quotation) beschriebene Leistung anstreben wird – ein typisches Discount-Pricing also.

Doch wie sieht es mit Zusatzleistungen aus? Wie werden Leistungen bepreist, die vom ursprünglichen Angebot abweichen? Hier verlassen wir bereits den Bereich des Discount-Pricing. Manche Unternehmen verdienen vor allem hier das Geld, weil sie bei diesen Abweichungen sehr auskömmliche Preise durchsetzen. Vielleicht ist auch deshalb die Elbphilharmonie in Hamburg so teuer geworden… Mit dem Pricing in Ausschreibungen werden wir uns in einem der nächsten Newsletter noch detaillierter auseinandersetzen.

Der nächste Newsletter: Die Werttreiber

Und abschließend wieder der Hinweis auf das Thema des nächsten Pricing-Newsletters: wir werden uns den Werttreibern zuwenden, die für das Pricing gerade auch im B2B-Bereich eine wichtige Rolle spielen.

Bis zum nächsten Pricing-Newsletter.

Ihr Prof. Dr. Hans-Christian Riekhof

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Nächster Termin in Hamburg: 18./19. Juni 2020

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